Argam Ayvazyan: Geheimer Forscher der armenischen Kultur in Nachitschewan
Verdeckter Ermittler des Kulturerbes in Aserbaidschan
Ein Interview von Andran Abramian
Der Verlust unersetzlicher Denkmäler und sogar der gesamten Geschichte der Armenier von Berg-Karabach/Arzach, das jetzt teilweise unter aserbaidschanischer Kontrolle steht, wird nun von Millionen von Menschen armenischer Abstammung sehr befürchtet. Diese Befürchtung beruht auf der Tatsache von früheren Zerstörungsakten an tausenden mittelalterlichen armenischen Denkmälern durch die aserbaidschanische Regierung, insbesondere in Nachitschewan.
Cultural Property News hat das Privileg, ein seltenes Interview mit Argam Ayvazyan zu veröffentlichen, – einem Forscher, der viele Risiken auf sich genommen hat, um die Geschichte und Denkmäler des armenischen Volkes in Nachitschewan heimlich zu dokumentieren. Der Interviewer Andran Abramian ist ein Dokumentarfilmer, der seinen Abschluss an der FAMU-Filmakademie in Prag gemacht hat. Abramians Arbeit konzentriert sich hauptsächlich auf Themen im Zusammenhang mit Natur, Psychologie, Gesellschaft und Ideologien. Das Interview mit Argam Ayvazyan ist Teil eines laufenden Projektes über den Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan. Abramian und Ayvazyan unterhielten sich zuletzt im Dezember 2020.
Geographisch gesehen ist Nachitschewan eine Exklave, die politisch zu Aserbaidschan gehört, jedoch durch einen Teil Armeniens vom Hauptteil des Landes getrennt ist. Nachitschewan grenzt an die Türkei und den Iran. Der bekannteste Fall von systematischer Zerstörung des armenischen Erbes auf dem mittelalterlichen Friedhof von Dschulfa (auch Djulfa oder Dschugha genannt) wurde tatsächlich von jenseits der Grenze zum Iran beobachtet und gefilmt.
Während seiner Untersuchungen in Nachitschewan in den Jahren 1964 bis 1987 nahm Ayvazyan persönlich 89 bestehende Kirchen und Kathedralen auf, die heute nicht mehr existieren. Er zählte und dokumentierte 5.840 kunstvoll bearbeitete Chatschkare (Kreuzsteine) und schätzt die Zahl der liegenden Grabsteine auf 22.000, die heute zerschmettert, untergepflügt bzw. entfernt wurden. Augenzeugenberichte – unterstützt durch Angaben in einer von den aserbaidschanischen Behörden herausgegebenen Enzyklopädie – besagen, dass jedes verbliebene Denkmal durch eine staatlich betriebene Zerstörungskampagne zur Auslöschung der armenischen Kultur in der Region bis zum Jahr 2008 zerstört wurde.
Argam Ayvazyan, geboren 1947 in Arinj, Nachitschewan, ist ein Armenologe, Kulturhistoriker und Verfasser von mehr als 300 Artikeln und 55 Büchern, von denen 48 sich mit dem materiellen und kulturellen Erbe von Nachitschewan befassen. Vom 2. bis 19. November 2007 fand an der Harvard Universität eine Ausstellung mit den Fotografien Ayvazyans von den Denkmälern in Nachitschewan statt, auf der über 250 Bilder gezeigt wurden. Er arbeitete bei der Denkmalschutzbehörde der armenischen SSR, am Kunstinstitut und dem Institut für Archäologie und Ethnographie der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Republik Armenien. Heute ist er leitender Forscher am Institut für Archäologie und Ethnographie.
LETZTE REISE IN DIE HEIMAT – FREUNDSCHAFTLICHE BEGEGNUNGEN UND EINE KNAPPE FLUCHT
Wann haben Sie Nachitschewan das letzte Mal besucht?
Es war Ende Oktober 1987. Zu dieser Zeit arbeitete ich bei der Denkmalschutzbehörde von Armenien. Meine Kolleginnen wollten unbedingt Nachitschewan besuchen und fragten mich, ob ich eine Reise arrangieren könnte. Also fragte ich unseren Abteilungsleiter, der uns seine Zustimmung für eine Dienstreise nach Meghri in Südarmenien gab. Zu dieser Zeit führte die Straße von Yerevan nach Meghri durch das Gebiet von Nachitschewan. Er warnte uns auch, vorsichtig zu sein, da die Karabach-Bewegung[1] zu dieser Zeit bereits im Entstehen war. Wir nahmen den Kleinbus unserer Behörde. Wir besuchten die Stadt Nachitschewan, wo wir das prächtige seldschukische Grabmal von Momine Khatun[2] und die armenische Kirche St. Gevorg sahen. Danach fuhren wir nach Abrakunis, wo wir Fotos vom St. Karapet-Kloster[3] machten und fuhren anschließend nach Tsghna weiter, einer bedeutenden Siedlung in der Region Goght’n.[4] Wir kamen am späten Nachmittag dort an und trafen durch Zufall auf Martin, einen meiner alten Freunde, der in Yerevan lebte und uns nicht gehen lassen wollte. Innerhalb einer Stunde stellte Martin auf dem großen Balkon des zweistöckigen Hauses seines Vaters aus dem 18. Jahrhundert einen prächtigen Tisch auf. Er bewirtete uns mit Barbecue, Feldfrüchten und selbstgebranntem Schnaps… Zehn weitere Personen aus Tsghna nahmen um den Tisch Platz und unsere Feier ging bis drei Uhr morgens weiter.
Sind Sie dann irgendwann in Meghri [in Armenien] angekommen?
Ja, wir kamen im Morgengrauen in Meghri an. Nachdem wir dort zwei Tage verbracht hatten, wollten wir auf dem Rückweg die Stadt Agulis besuchen. Als wir in Agulis[5] ankamen und das Auto auf einem der armenischen Friedhöfe abstellten, war ich vollkommen verblüfft. Der Friedhof, auf dem sich etwa 300 Grabsteine befunden hatten, war verschwunden. An seiner Stelle war bereits ein Gebäude errichtet worden.
[6] Agulis, einst ein lokales Zentrum der armenischen Kultur, hatte zwölf Kirchen und Klöster. Vom 24. auf den 25. Dezember 1919 fand dort ein heftiger Pogrom statt, der von der türkischen Armee und den Aserbaidschanern begangen wurde, die aus dem benachbarten Zangesur vertrieben worden waren. Bei dem Angriff auf die armenische Bevölkerung wurden etwa 1.400 Menschen ermordet. Die Denkmäler in Agulis blieben, obwohl vernachlässigt, bis 1988 intakt, als Ayvazyan die Zerstörung der Friedhöfe dokumentierte. Agulis ist auch der Geburtsort des aserbaidschanischen Autors Akram Aylisli, der vom Regime verfolgt wurde, weil er über die Pogrome schrieb und die Armenier in einem angenehmen Licht darstellte.
In weniger als fünf Minuten wurden wir von zwanzig bis dreißig [aserbaidschanischen] Personen umstellt, die anfingen, Fragen zu stellen. Natürlich glaubten sie meinen Erklärungen nicht und ich konnte hören, wie sie zueinander sagten: „Lasst uns Benzin holen und das Auto anstecken“. Ich wies die Mädchen an, ins Auto zu steigen. Sie sagten: „Wie kommt das? Warum können wir uns diesen wunderbaren Ort nicht anschauen und später abfahren?“ Auf mein Drängen hin stiegen wir alle in den Kleinbus und fuhren los. Der Mob fing an, Steine und Stöcke auf uns zu werfen und verfolgte uns mit Autos bis zur Überlandstraße. Im Auto erklärte ich, was die Leute, die uns umringten, sagten und was mit uns hätte passieren können. Unter Umständen wären wir nicht lebendig aus dem Dorf gekommen.
Ich hatte auch vor, auf dem Rückweg Dschulfa zu besuchen, um wieder Fotos von 200 Chatschkaren zu machen, die ich ein Jahr zuvor fotografiert hatte. Der KGB hatte jedoch die Bilder beschlagnahmt. In Dschulfa besuchten wir das Haus meiner alten Bekannten, Frau Mariam, einer älteren Armenierin, die dort allein lebte. Als wir den Tisch deckten, änderte sich das Herbstwetter. Nebelähnliche Wolken zogen sich zusammen und deshalb habe ich keinen Versuch unternommen, den Friedhof von Dschulfa zu betreten. Ich nahm an, dass ich im nächsten Frühjahr zurückkommen und die Fotos aufnehmen könnte, wenn das Wetter besser wäre. Leider war es ein fataler Fehler. Nachdem die Karabach-Bewegung im Februar 1988 ihren Anfang nahm, wurde klar, dass es nicht mehr möglich sein würde, dorthin zurückzukehren.
JUGENDLICHE LEIDENSCHAFT: IDENTITÄT UND ZUGEHÖRIGKEITSGEFÜHL
Seit mehr als fünfzig Jahren untersuchen Sie die Kultur ihrer Heimat Nachitschewan. Nach Ihrem Schulabschluss zogen Sie nach Yerevan und wurden an der Fakultät für Journalismus angenommen, um sich danach für dieses Thema zu interessieren. Wie kam es dazu?
Während meines ersten Studienjahres im Jahre 1964 saßen ich und meine Kommilitonen an einem Tisch in einem Restaurant in Yerevan und tranken Wein. Einer der Jungs sagte, dass wir als künftige Journalisten möglicherweise die Aufgabe bekommen könnten, einen Artikel über unseren Geburtsort zu schreiben. Worüber würden wir dann schreiben? Ich dachte darüber nach, was ich über Nachitschewan wusste. Ich wusste einen oder zwei Namen: Die Großeltern von Komitas lebten hier [der große armenische Komponist Soghomon Soghomonian, der als Komitas seine Priesterweihe erhielt], Aram Khatschaturian [ein großer sowjetischer Komponist, dessen bäuerliche Eltern aus Nachitschewan stammten] und fast nichts anderes. An diesem Tag ging ich unter dem Einfluss des Weines nicht nach Hause zurück und wanderte die ganze Nacht durch die Straßen von Yerevan. Ich fragte mich, wie jemand so wenig über seinen Geburtsort oder über seine Geschichte im Allgemeinen wissen konnte.
Am nächsten Tag ging ich nicht zur Vorlesung. Stattdessen wurden die Nationalbibliothek, die Bibliothek der Nationalen Akademie der Wissenschaften und der Matenadaran[1] [das Mesrob-Maschtoz-Institut für alte Manuskripte] zu meiner Universität. Während der Jahre der Sowjetherrschaft war nahezu keine einzige Zeile über die Geschichte und Kultur von Nachitschewan geschrieben worden. Der größte Teil der Literatur beschränkte sich auf die Werke des späten 19. Jahrhunderts. Da ich nicht genau wusste, wonach ich in den Bibliotheken suchen sollte, bestellte ich die gesamte armenische Literatur und ging sie innerhalb von zwei Jahren von oben bis unten durch. Das bereicherte mein Wissen und erst danach ging ich daran, nach Nachitschewan zu gehen und meine Feldforschungen zu betreiben.
Es war also im Grunde genommen Ihr privates, persönliches Projekt. Gab es keine offizielle Kooperation zwischen armenischen und aserbaidschanischen Wissenschaftlern?
Nein, es gab keine. Einige Forscher von der armenischen Akademie der Wissenschaften wollten eine derartige Kooperation eingehen, hatten jedoch niemals Erfolg. Aserbaidschan stellte jedes Mal, wenn es versucht wurde, Hindernisse in den Weg. Nur einmal arbeiteten armenische und aserbaidschanische Wissenschaftler zusammen, als sie in Berg-Karabach in Stein gemeißelte Inschriften untersuchten.
TREFFEN MIT DEM KÜNFTIGEN PRÄSIDENTEN VON ASERBAIDSCHAN
Wann merkten Sie zum ersten Mal, dass Ihre Arbeit nicht so einfach sein würde?
Es war im Jahre 1965. Ich kaufte mir eine sehr billige Kamera und ging von meinem Heimatdorf Arinj ins nahegelegene Dorf Nors. Die Kamera über meiner Schulter, fotografierte ich offen die Kirche, die Inschriften und die Chatschkare. Die [aserbaidschanischen] Dorfbewohner versammelten sich und fragten, wer ich wäre und was ich täte, usw. Ich sagte ihnen, dass ich aus dem nahegelegenen Dorf sei und aus eigenem Interesse Fotos machen würde. Durch Zufall hielten sich an diesem Tag zwei Polizisten im Dorf auf. Sie wurden umgehend informiert und ich wurde festgenommen und in die regionale Polizeidienststelle mitgenommen.
Wir warteten im Korridor und einige Zeit später verließ der Amtsleiter mit einem hochgewachsenen Mann in Zivil sein Büro. Letzterer fragte gleich die Polizisten: „Was hat dieser Junge getan. Hat er etwas gestohlen?“ Sie antworteten: „Nein, Genosse Aliyev, wir brachten ihn aus dem Dorf Nors her, er machte Fotos von der Kirche.“ „Dann bringt ihn herein.“ Ich wurde hineingeführt. Wir setzten uns hin. Sie brachten Tee… Er fing an Fragen zu stellen, warum ich Fotos machte (wir sprachen auf Aserbaidschanisch). Der Mann nahm die Kamera, nahm den Film heraus, warf ihn beiseite und sagte:
„Das war das erste Mal. Geh, und mach nie wieder so etwas. Vergiss, dass es in Nachitschewan irgendwelche armenischen Denkmäler gibt.“
Das war Heydar Aliyev, der Chef des KGB in Nachitschewan, den ich zu dem Zeitpunkt natürlich nicht kannte. [Heydar Aliyev wurde zum ersten Sekretär der aserbaidschanischen Sowjetrepublik, danach zum Präsidenten des unabhängigen Aserbaidschans. Er ist der Vater des heutigen Präsidenten Ilham Aliyev]. Das war meine erste Bekanntschaft mit dem Gesetz. Danach wurde mir klar, dass das, was ich machen wollte, nicht einfach sein würde. Es stellte sich tatsächlich als sehr schwierig heraus.
[1] Das Mesrob-Maschtoz-Institut für alte Manuskripte in Yerevan, Armenien, im Volksmund als Matenadaran bekannt, beherbergt die weltweit größte Sammlung an antiken armenischen Manuskripten.
INS VERBOTENE NACHITSCHEWAN
Auf welche Hindernisse sind Sie gestoßen?
Das erste Hindernis war die Einreise nach Nachitschewan, die nur mit einer Sondergenehmigung möglich war. Während der Sowjetzeit wurde das gesamte Gebiet Nachitschewan zur Grenzzone erklärt. Man musste ein Einladungsschreiben von dort erhalten, das einem den Besuch eines Verwandten oder die Teilnahme an einem Anlass wie Hochzeit, Beerdigung etc. gestattete. Die Erlaubnis wurde für drei bis fünf Tage, höchstens jedoch für zehn Tage, erteilt. Im Grunde genommen war es ein Visasystem und unterlag sehr strengen Regeln. Der Passierschein wurde nur für einen bestimmten Ort ausgestellt. Wenn man aus irgendeinem Grund woanders hin gehen wollte, mussten die lokalen Behörden darüber informiert werden, wohin man geht, für wie viele Stunden und wann man zurückkehren würde. Wenn sie es erlaubten, konnte man gehen. Wenn nicht, konnte man seinen ursprünglichen Bestimmungsort nicht verlassen, um woanders hin zu gehen.
Was man beachten musste, nachdem man die Erlaubnis erhalten hatten.
Wenn man sich auch nur drei oder fünf Minuten an einem Denkmal aufhielt, scharten sich die Einheimischen zusammen und stellten Fragen und riefen die Polizei. Das konnte zu Verhaftungen, Verhören und Geldstrafen führen. Die Kamera könnte beschlagnahmt werden. Nach dem ersten Vorfall in Nors versteckte ich meine Kameras stets in Handtaschen. Bei jedem Denkmal legte ich den Winkel für die Fotoaufnahme fest, machte schnell einige Fotos und ging dann weg. Wenn es im Nachbardorf noch ein Denkmal gab, ging ich nicht dorthin. Wenn man mich im ersten Dorf sehen würde, würde ich sagen, dass ich eben wegen dieses Dorfes gekommen wäre. Würde man mich im nächsten Dorf sehen, würde man sofort vermuten, dass es kein Zufall, sondern ein geplanter Besuch wäre. Deshalb ging ich nach dem Besuch eines Dorfes in eine andere Gegend.
Ich nehme an, dass Sie die Behörden nicht informierten, wenn Sie in eine andere Gegend reisten.
Natürlich nicht. Ich arbeitete hauptsächlich an den Wochenenden, wenn staatliche Stellen geschlossen waren. Die Polizei war zwar im Dienst, nicht jedoch der KGB. Dies half, dass ich nicht sofort gemeldet wurde.
Sie veröffentlichten ihre Bücher bereits zur Sowjetzeit. Sie müssen dem KGB in Nachitschewan sehr wohl bekannt gewesen sein. Wie haben Sie ihn ausgetrickst?
Sie kannten meinen Namen bereits seit 1978-1981, als ich meine ersten Bücher veröffentlichte. Sie verteilten sogar mein Foto und wiesen die lokalen Behörden an, mich festzunehmen, wenn sie mich bei einer Visite antrafen. Ich musste gefälschte Papiere auf verschiedene Namen anfertigen. Natürlich zeigte ich diese nur einfachen Dorfbewohnern. Ich konnte sie den Regierungsbeamten nicht zeigen, da sie sehr leicht herausfinden würden, dass sie gefälscht waren.
An einigen Orten war es möglich, die Denkmäler während eines kurzen Besuchs zu fotografieren, ohne großen Verdacht zu erregen. Es gab jedoch auch Orte, an die man wiederholt zurückkehren musste, um sie zu dokumentieren, nämlich den alten Friedhof von Dschulfa. Es gab mehr als 2.700 Chatschkare (4.500 einschließlich der alten Kirchhöfe in Alt-Dschulfa). Zudem befand er sich direkt an der iranisch-sowjetischen Grenze. Wie haben Sie es geschafft, dorthin zu gelangen?
Das Betreten von Dschulfa war sogar den Einheimischen verboten. Es gelang mir, mit den Grenzschützern des russischen Militärs und ihren Vorgesetzten eine „gemeinsame Basis“, z.B. durch Bestechungsgelder, zu finden. Jedes Mal, wenn ich dort ankam, wurde ich von zwei oder drei Grenzschützern begleitet und durfte den Ort nur für zwei oder zweieinhalb Stunden betreten. Ich besuchte den alten Friedhof von Dschulfa sechszehn oder siebzehn Mal, um ihn zu dokumentieren.
Wie haben Sie sich daran erinnert, wo Sie mit Ihrer Arbeit zuletzt aufgehört hatten?
Ich hatte einen 50 bis 60 m langen dünnen Faden dabei. Ich machte ihn an einer Reihe von Chatschkaren fest, damit ich sie nicht verwechselte. Sie waren sehr dicht beieinander. Ebenso habe ich einige von ihnen mit weißer Farbe markiert. Es kam vor, dass ich einige Chatschkare erneut fotografierte. Auch ist es sehr wahrscheinlich, dass ich einige übersah. Es ist alles möglich, da es keine leichte Aufgabe war, nur zwei Stunden Zeit zu haben, um all diese Fotos aufzunehmen. Ich benutzte mehrere Kameras mit Schwarz-Weiß-Filmen, Dias, Großformat und Schmalformat. Natürlich wurden 36 Aufnahmen sofort verbraucht. Ich musste oft den Film wechseln. Einmal nahm mich der KGB an Ort und Stelle fest und beschlagnahmte sechs Dosen mit Negativen.
Wie hat man herausgefunden, dass Sie dort waren?
Ein kleiner Güterzug fuhr vorbei. Ich nehme an, die Lokführer bemerkten, dass ich Fotos machte, und informierten die Polizeistation in Dschulfa, die nur vier Kilometer entfernt war. Sie kamen und nahmen mich innerhalb von zehn Minuten fest. Sie nahmen mich zum regionalen KGB-Büro in Dschulfa mit, verhörten mich und sperrten mich für ein paar Tage in einem schmutzigen Keller ein… Falls man ein offizielles Protokoll anfertigen würde, wäre ich nie mehr in der Lage, eine Einreiseerlaubnis nach Nachitschewan zu bekommen. Schließlich konnte ich mit ihnen „eine gemeinsame Basis“ finden, sie bestechen und mich von der drohenden „Rechenschaftspflicht“ befreien.
MIT EINEM HAHN AUF PILGERREISE
Neben Dschulfa war Agulis mit seinen zwölf Kirchen im Zusammenhang mit armenischen Denkmälern eines der reichsten Dörfer in Nachitschewan. In einem Ihrer Bücher ist ein Foto von der St. Thomas-Kirche aus dem 4.-17. Jahrhundert in Ober-Agulis. Man kann viele Menschen um sie herum erkennen. Wie haben sie an solchen dichtbevölkerten Orten gearbeitet?
Die St. Thomas-Kirche stand direkt inmitten des Dorfes. Es war unmöglich, dort Fotos zu machen, ohne bemerkt zu werden. Deshalb wandte ich bei einem meiner sieben oder acht Besuche einen Trick an. Ich kannte einige Frauen aus dem Dorf Der. Eine von ihnen war eine ältere Frau namens Marus, die ich mehrere Male besucht hatte. Also ging ich mit Marus, einer anderen einheimischen Frau und ihrer Enkelin nach Agulis. Ich nahm einen Hahn mit und täuschte einen psychisch Kranken vor. Wir näherten uns der St. Thomas-Kirche. Marus erklärte den Frauen, Männern und Kindern, die sich um uns versammelt hatten, dass man diesem jungen Mann empfohlen hätte, mit dem Hahn drei Mal um die Kirche zu gehen, danach hineinzugehen und dort allein zu beten, um geheilt zu werden. Es gelang uns, sie zu überzeugen. Sie brachten den Schlüssel, öffneten die Tür und ich konnte in die Kirche hinein. Vorher hatte ich Marus angewiesen, niemanden in die Kirche zu lassen. Deshalb konnte ich die Fresken, die von Naghash Hovnatan geschaffen worden waren, fotografieren und den Plan der Kirche aufmessen.
Nachdem wir bereits mehrere Denkmäler in Agulis besucht und fotografiert hatten, waren wir auf dem Weg zur St. Johannes-Kirche, als wir ein Polizeiauto herannahen sahen. Die Aserbaidschaner hatten uns nicht wirklich geglaubt und hatten die Polizeistation in Ordubad angerufen. Um sicherzugehen, dass sie nicht gefunden werden, hatte ich vorher alle Negative den Frauen gegeben. Das Polizeiauto hielt uns tatsächlich an. Sie kamen und stellten Fragen. Marus sagte ihnen, dass wir wegen meiner Krankheit auf einer Pilgerreise wären. Währenddessen machte ich seltsame Bewegungen mit dem Kopf und den Händen. Als sie mich sahen, sagten die beiden Polizeibeamten: „Ja, dieser Junge scheint wirklich krank zu sein“ und gingen fort.
Der verstorbene Forscher Samvel Karapetyan, der (nicht nur) in Aserbaidschan armenische Denkmäler fotografierte und dokumentierte, erzählte, dass er immer Bekanntschaft mit den armenischen Bewohnern der Dörfer schloss, die ihn begleiteten und ihm einen Schlafplatz zur Verfügung stellten usw. War Ihre Methode die gleiche?
Ja, sie war ähnlich. Aber verglichen mit den anderen Regionen in Aserbaidschan war sie ein wenig anders. Nachitschewan war von Armeniern leergeräumt worden und die lokalen Behörden versuchten sicherzustellen, dass nichts über ihre Geschichte, Denkmäler und Kultur publik wurde. Sogar in der Türkei war es einfacher, sich einem armenischen Denkmal zu nähern als in Nachitschewan. Die lokale armenische Bevölkerung wurde angewiesen, Menschen aus Armenien, seien es Spezialisten oder nicht, nicht zu helfen und diejenigen, die kamen, zu melden, die Namen und was sie taten.
Es gab Fälle, in denen die Aserbaidschaner nach meinem Besuch die Armenier zusammenriefen und sie ausfragten, auf sie Druck ausübten usw. Sie fragten sogar die russischen Grenzposten und ihre Vorgesetzten in Dschulfa aus. Ich wusste, dass die Aserbaidschaner, wenn sie erfahren hätten, dass jemand aus Yerevan zu ihnen nach Hause gekommen wäre, diese Menschen nicht in Ruhe gelassen hätten. Deshalb gab ich den armenischen Familien, die ich antraf, nur sehr wenige Informationen. Ich sagte z.B., dass meine Großeltern aus diesem Dorf stammen würden, dass ich gerne den Friedhof und die Denkmäler sehen würde usw.…“ Die Menschen wussten oft nicht, wer ich war und aus welchem Grund ich in Wirklichkeit dorthin kam.
UMSTÄNDE, DIE DIE ARMENISCHE BEVÖLKERUNG AUS NACHITSCHEWAN VERTREIBEN
Viele Dörfer hatten in den späten 1980ern ihre armenische Bevölkerung bereits verloren
Nachdem Nachitschewan in den zwanziger Jahren [des 20. Jahrhunderts] Teil des sowjetischen Aserbaidschans wurde, wurden die Beziehungen zum armenischen Staat und seiner Kultur gekappt. Nach dem 2. Weltkrieg wanderte im Zuge der Repatriierung von Armeniern aus der Diaspora im Jahre 1947 auch ein bedeutender Teil der Armenier von Nachitschewan nach Armenien aus, und die armenischen Behörden unternahmen zu dieser Zeit nichts, um sie daran zu hindern.
Dann gab es noch die Frage der Sprache. Die Staatssprache war Aserbaidschanisch, so dass Armenier, die eine armenischsprachige Schule absolviert hatten, keinen staatlichen Arbeitsplatz bekommen konnten. Sie mussten entweder als Arbeiter oder als Kolchosbauern arbeiten. Nach dem Schulabschluss verzog die Jugend nach Armenien, und die Älteren blieben zurück. Die armenischen Schulen wurden nach und nach geschlossen, und als die Älteren starben, starben auch die Dörfer langsam aus.
In der Sowjetunion gab es auch das System, dass junge Uni-Absolventen zu einem auf bestimmte Stellen entsandt wurden. In einem armenischen Dorf hatten der Vorsitzende der Kolchose, der Fachmann für die Viehzucht, der Agronom oder andere keinen (aserbaidschanischen) Hochschulabschluss. So ernannte man einen aserbaidschanischen Absolventen beispielsweise zum Agronomen. Er würde dann mit seiner Familie hierherziehen. Danach würden seine Verwandten kommen. Armenier würden dann von ihren Posten entlassen und das Dorf würde allmählich halb-aserbaidschanisch werden. Die Regierung verfolgte diese Politik absichtlich. Im Allgemeinen waren die Armenier in Nachitschewan in der Sowjetzeit vom sozialen und kulturellen Leben in Armenien abgeschnitten, so dass es sehr schwierig war.
Glauben Sie, dass die armenische Bevölkerung in Nachitschewan so sehr zurückgegangen wäre, wenn sie die aserbaidschanische Sprache beherrscht hätten?
Nein, ich glaube nicht, dass dies ein Schlüsselfaktor gewesen wäre. Es gab Armenier, die Aserbaidschanisch beherrschten. Einige von ihnen waren sogar Staatsbeamte, zum Beispiel der stellvertretende Vorsitzende des Ministerrates von Nachitschewan und der zweite und dritte Sekretär des Regionalkomitees. Sie alle waren jedoch einem Druck ausgesetzt. Sie mussten machen, was man ihnen sagte. Mein Vater arbeitete im regionalen Statistikamt und war als Armenier Druck und Missachtung ausgesetzt.
Könnten Sie ein Beispiel nennen?
Zum Beispiel wurde sein Gehalt im Vergleich zu seinen aserbaidschanischen Kollegen nie erhöht bzw. er erhielt den niedrigsten vierteljährlichen Bonus. Er stellte die offiziellen statistischen Dokumente über die Aktivitäten von aserbaidschanischen Dörfern und Kolchosen zusammen. Sie zwangen ihn dazu, die bestehenden Mängel nicht aufzuführen. Es gab verschiedene Arten von Druck. Nach mehr als zwanzig Jahren als Spezialist auf diesem Feld wurde ihm schließlich unter dem Vorwand von Stellenabbau gekündigt.
DIE AUSLÖSCHUNG DES ARMENISCHEN ERBES IN NACHITSCHEWAN
Wie gingen die lokalen Aserbaidschaner mit armenischen Denkmälern um?
Man muss sagen, dass die gewöhnlichen, einfachen Leute sie nicht wirklich zerstört haben. Sie hatten zu gottbezogenen Denkmälern eine respektvolle Haltung. Natürlich gab es einzelne Fälle, die zum Beispiel von Schatzsuchern verursacht wurden. Einige alte armenische wertvolle Objekte wurden auch während der Entwicklung von Dörfern und Städten zerstört. 90% von ihnen blieben im Grunde ihrem Schicksal überlassen und wurden nicht instand gehalten. In den Jahren 1997-1998 wurde jedoch in Nachitschewan ein staatliches Programm ins Leben gerufen, um das dort befindliche armenische Kulturerbe insgesamt auszulöschen.
Infolgedessen wurden in den Jahren 1998 bis 2006 etwa 27.000 Objekte des kulturellen Erbes – Kirchen, Chatschkare, Denkmäler und Grabsteine – komplett zerstört. Insbesondere während des letzten Jahrzehnts wurden anstelle von Kirchen Moscheen errichtet, und weltliche Denkmäler wie Festungen und Brücken wurden nachlässig „restauriert“, indem man ihnen ein entstelltes Äußeres verlieh und sie zu aserischen Schreinen oder Denkmälern erklärte. Das ist ein riesiger Verlust, ein kultureller Völkermord. Bedauerlicherweise gibt es heute im Gebiet von Nachitschewan keine armenischen Denkmäler mehr. Sie alle existieren nur in den Seiten meiner Bücher weiter.
Gab es Versuche, dies zu verhindern?
Der Friedhof von Dschulfa war ein beispielloses Repositorium für die armenische Chatschkar-Kunst. Die Aufnahmen von der Zerstörung des Friedhofs von Dschulfa, die regelmäßig im Internet kursieren, zeigen die letzte Phase der Zerstörung. Die erste Phase, die 1998 begann, wurde gestoppt, nachdem Armenien sich beschwert hatte. Dann fuhren sie zwei Jahre später fort, Armenien beschwerte sich wieder, sie hielten erneut ein. Dies wiederholte sich drei oder vier Mal. Wir schafften es im Grunde nicht, über Beschwerden hinaus etwas zu unternehmen, um zumindest den berühmten Friedhof von Dschulfa zu retten. Im Dezember 2005 wurde er komplett dem Erdboden gleichgemacht. Sie zertrümmerten die aus dem 13.-17. Jahrhundert stammenden Chatschkare zu Kies und schütteten die Stücke in den Fluss Arax. Das riesige Areal des Friedhofs wurde eingeebnet und 2006 in einen Schießstand umgewandelt.
Unglücklicherweise waren weder Armenien noch führende humanitäre oder wissenschaftliche Organisationen in der Welt (link: https://culturalpropertynews.org/unesco-exposed/) in der Lage, dem Vandalismus Aserbaidschans Einhalt zu gebieten. Jetzt, nachdem Aserbaidschan alle Exemplare des armenischen Kulturerbes zerstört hat, hat es der Welt wiederholt kundgetan, dass es auf dem Gebiet von Nachitschewan keinerlei armenischen Denkmäler gegeben hätte.
Immerhin konnten etwa dreißig Chatschkare und widderförmige Grabsteine von dem Friedhof in Dschulfa überleben. Sie wurden während des 20. Jahrhunderts zu verschiedenen Zeiten nach Armenien und in andere Ländern verbracht. Ebenso befinden sich sechs Grabsteine in Nor Kharberd, Yerevan. Wie kamen sie dorthin?
Sie befinden sich im Sanktuarium „Hazaraprkitsch“ (Retter von Tausenden), das unter meiner aktiven Führung von den Armeniern aus Nachitschewan angelegt wurde. Wir kommen dort jedes Jahr am zweiten Sonntag im Oktober am Tag des Erlösers in großer Zahl zusammen und feiern das Fest. Während der Sowjetzeit hatten die Armenier aus Dschulfa Kontakte zu russischen Grenzschützern, die ihnen erlaubten, diese Grabsteine mitzunehmen. Deshalb schlug ich 1996 vor, diese Wertobjekte aus Dschulfa dort auszustellen. Ebenso brachte ich einen Grabstein ins staatliche historische Museum Armeniens mit, der dort in einer ständigen Ausstellung zu sehen ist.
WIE SIEHT DIE ZUKUNFT DES ARMENISCHEN KULTURERBES IN BERG-KARABACH AUS?
Nach dem letzten Krieg gibt es viele Befürchtungen über das Schicksal der armenischen Denkmäler in Berg-Karabach. Das Beispiel von Nachitschewan wird in diesem Zusammenhang oft erwähnt. Wie sehen die zukünftigen Szenarien für die armenischen Denkmäler in Karabach Ihrer Meinung nach aus? Welche Lehren kann Armenien heute aus dem Beispiel von Nachitschewan ziehen?
Leider haben Armenien auf staatlicher Ebene und die Armenier im Allgemeinen nichts daraus gelernt und in der Vergangenheit nicht genug protestiert. In den letzten paar Monaten wurden verschiedene Arten von kleineren Denkmälern in den Ortschaften von Karabach, die unter aserbaidschanische Kontrolle geraten sind, bereits zerstört. Vor kurzem erklärte der Vorsitzende der Architekten von Aserbaidschan selbst, dass die armenischen Kirchen in den Gebieten, die unter ihrer Kontrolle stehen, zerstört werden sollten.[7] (Link: https://qorod.blog/2020/12/17/mi-budem-stroit-na-veka/). Da Armenien kürzlich dringlichere Anfragen und Beschwerden bei der UNESCO eingereicht hat, könnten sie unter Umständen die Vandalismus-Versuche Aserbaidschans bis zu einem gewissen Maß eindämmen. Wenn diese Gebiete jedoch unter der Kontrolle Aserbaidschans bleiben sollten, glaube ich, dass 90% der armenischen Denkmäler während des nächsten Jahrzehnts zerstört werden. Die Aserbaidschaner werden diverse Gründe für die Zerstörungen angeben. Dann wird Aserbaidschan bekannt geben, dass dort solche Denkmäler niemals existiert hätten. Einige Kirchen werden sicherlich als „kaukasisch-albanische“ bewahrt, da sie diese falsche, pseudowissenschaftliche Auffassung vertreten, dass die Denkmäler in Karabach nichts mit den Armeniern zu tun gehabt hätten.[8]
[1] Die Karabach-Bewegung entstand gegen Ende der Sowjet-Ära in Armenien und in der mehrheitlich armenischen Region Berg-Karabach in Sowjet-Aserbaidschan. Die Bewegung befürwortete ursprünglich den Beitritt des Autonomen Gebiets Berg-Karabach zu Sowjet-Armenien. Sie nahm an Stärke zu und es gab zwischen Februar 1988 und April 1991 massive Demonstrationen. Armenien und Berg-Karabach erklärten daraufhin ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Zu dieser Zeit brach die Sowjetunion zusammen. Zwischen Armenien und Aserbaidschan brach ein gewaltsamer Konflikt um das Gebiet aus. Dieser ist heute als der erste Karabach-Krieg bekannt. In der Folge kam es zu einem massiven Bevölkerungsaustausch, bei dem Hunderttausende Aserbaidschaner und Armenier gezwungen waren, ihre Häuser zu verlassen. 1994 beendete ein von Russland vermittelter Waffenstillstand den aktiven Konflikt. Die mehrheitlich armenische Region Berg-Karabach versuchte sich als Republik Arzach zu etablieren, konnte jedoch zu keiner Zeit eine internationale Anerkennung finden. (Siehe: First Nagorno Karabakh War, https://en.wikipedia.org/wiki/first_nagorno-karabakh_war
[2] Das Mausoleum von Momine Khatun, ein kunstvoll gemusterter Ziegelbau aus der Seldschukenzeit, ist 36 m hoch. Die Ruhestätte der Frau des lokalen muslimischen Herrschers wurde 1186 im westlichen Teil der Stadt Nachitschewan erbaut.
[3] Das St. Karapet-Kloster (Surb Karapet von Abrakunis) war ein mittelalterlicher armenischer Klosterkomplex, der jahrhundertelang als Schule und Aufbewahrungsort für alte Manuskripte diente. Das Kloster wurde 2005 abgerissen, als ein schottischer Reisender an seiner Stelle einen eingeebneten Boden vorfand. An seiner Stelle wurde 2013 eine Moschee gebaut. https://www.djulfa.com/nakhicevan-2005-the-state-of-armenian-monuments/
[4] Die östlichste Region von Nachitschewan. In der armenischen Tradition war die Region Goght’n sehr bekannt für ihr reiches historisches Erbe und kulturelles Leben sowie für ihre feinen Früchte und die Herstellung von Wein.
[5] Agulis, einst ein lokales Zentrum der armenischen Kultur, hatte zwölf Kirchen und Klöster. Vom 24. auf den 25. Dezember 1919 fand dort ein heftiger Pogrom statt, der von der türkischen Armee und den Aserbaidschanern begangen wurde, die aus dem benachbarten Zangesur vertrieben worden waren. Bei dem Angriff auf die armenische Bevölkerung wurden etwa 1.400 Menschen ermordet. Die Denkmäler in Agulis blieben, obwohl vernachlässigt, bis 1988 intakt, als Ayvazyan die Zerstörung der Friedhöfe dokumentierte. Agulis ist auch der Geburtsort des aserbaidschanischen Autors Akram Aylisli, der vom Regime verfolgt wurde, weil er über die Pogrome schrieb und die Armenier in einem angenehmen Licht darstellte.
[6] Das Mesrob-Maschtoz-Institut für alte Manuskripte in Yerevan, Armenien, im Volksmund als Matenadaran bekannt, beherbergt die weltweit größte Sammlung an antiken armenischen Manuskripten.
[7] Es wurde bereits nachgewiesen, dass eine kürzlich gebaute Kirche in den Gebieten, die unter aserbaidschanische Kontrolle geraten sind, abgerissen wurde, was anschließend vom Staat bestritten wurde. Link: https://www.bbc.com/news/av/world-europe-56517835
[8] „Albanisierung“ ist der Begriff für eine seit 60 Jahren beliebte Methode der Verfälschung von regionaler Geschichte, die von der aserbaidschanischen Regierung als Teil ihrer historischen Agenda vorangetrieben wird. Die Behauptungen, dass die Armenier keine tiefreichenden Wurzeln in der Region hätten, ist ein Mittel, um einerseits die nationalistische Propaganda zu unterstützen, die Region sei ein „altes aserbaidschanisches Land“ und andererseits den Armeniern heute das Recht auf ihre alten kulturellen Denkmäler zu verwehren.
Übersetzung aus dem Amerikanischen:
Arman Simonian
Quelle:
https://culturalpropertynews.org
PDF auf Englisch herunterladen:
Argam Ayvazyan_ Spy–Researcher For Nakhichevan Armenian Culture