Ein Gespräch mit Bischof Serovpé Isakhanyan
Die Armenische Kirche feiert Weihnachten am 6. Januar. Die weihnachtlichen Gottesdienste und Andachten dauern in der armenischen Kirche acht Tage, bis zum 13. Januar feiert man die Geburt und die Epiphanie des Herrn Jesus Christus. Kurz vor den Feierlichkeiten sprechen wir mit dem Primas der Armenischen Kirche in Deutschland S. E. Bischof Serovpé Isakhanyan.
Redaktion (Red.): Eure Exzellenz, es ist nun das dritte Weihnachtsfest, das Sie als Bischof der Armenischen Kirche in Deutschland feiern. Seit zwei Jahren leben wir mit der Corona-Pandemie. Wie geht es Ihnen aktuell?
Bischof Serovpé (BS): Mir persönlich geht es, Gott sei Dank, gut. Ich feiere mittlerweile zum 27. Mal Weihnachten in Deutschland, aber Du hast Recht, zum dritten Mal als Bischof. Leider wird es das zweite Weihnachtsfest sein, das auch unsere Gemeinde und ich persönlich in einer ungewöhnlichen Situation feiern. Wir sind gewohnt, und das hat uns sehr gefreut, die Hl. Weihnachtsliturgien in Anwesenheit sehr vieler Gläubigen zu feiern. Und das war selbstverständlich gut so. Weihnachten – das Fest der Geburt und Erscheinung Christi – ist auch ein Familienfest. Viele kamen mit der ganzen Familie zur Kirche, haben am Abendmahl teilgenommen. Nach der Hl. Liturgie fanden verschiedene Gemeindeveranstaltungen statt. Man bekam das angenehme Gefühl – wir sind eine große Familie. Jetzt müssen wir – coronabedingt – auf viele solcher Veranstaltungen verzichten. Auch die Teilnehmerzahl der Weihnachtsgottesdienste werden geringer. Das aktive Gemeindeleben ist geschrumpft. Hoffentlich werden wir bald wieder eine andere Situation haben.
Red.: Surp Dznunt, Weihnachten, steht vor der Tür. Doch viele armenische Christen feiern auch am 25. Dezember Weihnachten. Was sagen Sie dazu?
BS: Die Betonung liegt sicherlich auf dem Wort „auch“. Deutschland ist unsere neue Heimat. Wir integrieren uns in die neue Gesellschaft und betrachten sie als unsere. Ein sogenannter Diaspora-Mensch lebt oft mit zwei Identitäten. Die (Diaspora)-Armenier haben eine jahrhundertelange, wenn nicht jahrtausendelange, Erfahrung außerhalb Armeniens zu leben, sich anzupassen, sich in die neue Gesellschaft zu integrieren, aber sich selbst nicht zu verlieren. Ich hoffe, dass es auch in Deutschland so bleibt. Und die Kinder sind im Vorteil: sie bekommen ihre Geschenke doppelt :-). Solange auch die eigene armenische Tradition, der eigene Glauben gepflegt, gelebt und weitergegeben werden, gibt es, glaube ich, keinen Grund sich Sorgen zu machen.
Red.: Am Anfang der Pandemie haben die Gemeinden ihre Gottesdienste live gestreamt. Jetzt werden nur die wichtigsten Kirchenfeste live übertragen. Warum diese Entscheidung?
BS: Als die Pandemie sich auszubreiten begann, waren auch die Präsenzgottesdienste untersagt. Einige Monate lang fanden keine Präsenzgottesdienste statt. Die Kirchen und auch unsere Diözese mussten schnell reagieren und Alternativen finden. Deshalb wurden in den ersten Monaten der Pandemie bis Juni 2020 fast alle Gottesdienste im Internet live übertragen. Ab Juni 2020 durften und dürfen wir, wenn auch mit Einschränkungen, wieder Präsenzgottesdienste anbieten. Dann haben wir, in Beratung mit den Geistlichen der Diözese, entschieden, nur bei den großen Kirchenfesten die Gottesdienste zu streamen.
Die Hl. Sonntagsliturgie mit dem Empfang der Hl. Kommunion steht im Zentrum des gottesdienstlichen Lebens der Armenisch-Apostolischen Kirche. Die Anwesenheit der Gemeinde an einer Hl. Liturgie ist ganz wichtig. Sie wirkt mit ihren stillen und lauten Gebeten bei der Abhaltung der Hl. Liturgie unmittelbar mit. Darauf zu verzichten, wäre kein richtiger Weg. Der Gottesdienst ist kein Film bzw. Konzert, das man sich auch am Fernseher oder übers Handy und den Laptop anschauen kann. Ich weiß, dass man zu dieser Frage unterschiedliche Meinungen vertreten kann, dennoch ist die persönliche Anwesenheit vorrangiger.
Red.: Wie sehen denn Ihre Pläne für Weihnachten aus?
BS: Zu Weihnachten bin ich dieses Jahr in Köln, in der Diözesankirche. Am 5. Januar, am Vorabend des Weihnachtsfestes, werde ich der Hl. Weihnachtsliturgie beiwohnen und am 6. Januar, am Weihnachtstag, das Hl. Hochamt zu Weihnachten selbst abhalten. Die Zeit bis zum 13. Januar gilt bei uns als Weihnachtszeit. Ich werde dann die Möglichkeit haben, in dieser Zeit ein-zwei weitere Gemeinden zu besuchen.
Red.: Auch während der Pandemie waren Sie sehr aktiv, – sowohl in Deutschland, als auch in Armenien. Wenn Sie auf das Jahr 2021 zurückblicken, – was ist Ihr Fazit?
BS: Die letzten zwei Jahre waren für die weltweite armenische Gemeinschaft eine sehr schwierige Zeit, nicht nur wegen der Pandemie, sondern auch wegen des von Aserbaidschan verursachten schweren Krieges in Berg-Karabach. Der Krieg hat katastrophale Folgen. Es sind tausende Opfer zu beklagen, es gibt abertausende Flüchtlinge. Viele Menschen haben alles verloren. Auch unsere Diözese musste handeln, um diesen Menschen in Not zu helfen. Und es war sehr tröstlich zu sehen, dass unsere Gemeinschaft, ihre Gemeinden und Organisationen, sehr viele einzelne Personen, große Hilfsbereitschaft und Solidarität zeigten und wir konnten unseren Beitrag zur Linderung der Nöte der Menschen leisten. Auch heute wird die Unterstützung fortgesetzt.
Der Berg-Karabach-Krieg hat auch gezeigt, dass wir uns als deutsch-armenische Gemeinschaft viel mehr für den gerechten Frieden einsetzen sollen. Die Waffen müssen schweigen und für die zwischenstaatlichen Konflikte müssen friedliche Lösungen gefunden werden. Deutschland hätte vor dem Krieg, aber auch während des Krieges, eine aktivere Rolle spielen können, um Aserbaidschan zu Verhandlungen zu drängen. Das Schweigen und Wegschauen der Weltgemeinschaft gab Aserbaidschan freie Hand, den Berg-Karabach-Konflikt militärisch zu lösen. Auch heute setzt Aserbaidschan, mit Unterstützung der Türkei, seine aggressive Politik gegen Armenien und Arzach fort und erkennt das Selbstbestimmungsrecht der Karabach-Armenier nicht an. Armenien, dieses kleine christliche Land braucht Unterstützung und Solidarität.
Red.: Was sind Ihre Pläne für das kommende Jahr, was wünschen Sie sich von Gott, von der armenischen Gemeinschaft in Deutschland und von sich selbst?
BS: Als erstes wünsche ich der ganzen Menschheit, dass die Pandemie endlich besiegt wird und dass wir gesund bleiben. Noch immer befinden wir uns in einer Ausnahmesituation. Seit knapp zwei Jahren ist diese Pandemie eine große Herausforderung für alle und auch für unsere deutsch-armenische Gemeinschaft. Ich wünsche mir, dass wir möglichst bald ohne jegliche Einschränkung, ohne 3G- oder 2G-Regeln, zusammenkommen, Gottesdienste feiern, Gott preisen, uns begegnen, kulturelle und gesellige Veranstaltungen organisieren, unsere Identität und unseren Glauben praktizieren können. Ich bin mir sicher, viele Menschen, unsere Gemeindemitglieder, vermissen dies und warten sehnlichst darauf.
In 2022 stehen uns in unserer Diözese zwei wichtige, große Projekte bevor, nämlich die Sanierung der Diözesankirche in Köln und der armenischen Kirche in Göppingen. Ich wünsche mir, dass wir diese kostspieligen, aber dringend notwendigen Projekte mit Hilfe unserer Landsleute und Freunde verwirklichen können.
Mir persönlich wünsche ich auch Gottes Segen und Gesundheit, damit ich auch 2022 meine bischöflichen Aufgaben fortführen kann zur Ehre Gottes und im Dienste der deutsch-armenischen Gemeinschaft.
Red.: Weihnachten ist die Zeit der Wunder. Welches Wunder wünschen Sie sich und uns allen für diese Weihnachten?
BS: Das große Wunder ist die Menschwerdung des Sohnes Gottes Jesus Christus. Gott wird Mensch und wird als Kind geboren. Die Liebe Gottes ist der wahre Grund für die Geburt Jesu. Jesus vereint in sich Himmel und Erde. Dies ist das große und wunderbare Mysterium von Weihnachten, das wir jedes Jahr feiern. Wir suchen Gott oft in der Ferne, in unzugänglichen Himmeln, obwohl Gott bei uns ist, durch seinen eingeborenen Sohn Jesus Christus. Ihn brauchen wir nicht in der Ferne zu suchen. Ihn sollen wir heute und immer auch in unserem Nächsten, in den Menschen um uns herum suchen und finden. Wenn wir es tun, geschieht auch in unserem Leben ein großes Wunder.
Red.: Segnen Sie uns, eure Exzellenz.
BS: Gott segne und behüte uns alle an allen Tagen unseres Lebens und bewahre uns in Frieden und vor allen sichtbaren und unsichtbaren Gefahren. Amen!